Einzigartige Küste und Drehscheibe des Vogelzuges
An der Nordseeküste der Niederlande, Deutschlands und Dänemarks liegt das größte Wattenmeer der Erde. Mit rund 10.000 Quadratkilometern Wattflächen, Prielen und Flachwasser, Sandbänken und Dünen sowie den Salzwiesen gehört es zu den natürlichsten Lebensräumen, die wir im Westen Europas noch haben.
Ebbe und Flut bestimmen hier den Lebensrhythmus – zweimal täglich fällt der Meeresboden trocken. Dort tummeln sich zahllose Würmer, Muscheln, Schnecken und Krebse sowie in den Prielen kleine Fische. Besonders für Vögel schafft dies ein riesiges Nahrungsangebot. Das Wattenmeer steht heute fast komplett unter Schutz – und ist dabei dennoch gefährdet.
Landeplatz für Weltenbummler
Neben vielen Brutvögeln nutzen rund zehn Millionen Zugvögel, vor allem Watvögel, Gänse und Enten das Wattenmeer. Zu ihnen zählen beispielsweise der Knutt und die Ringelgans. Ihr arktisches Brutgebiet reicht von Nordsibirien bis Nordostkanada. Das Watt ist für diese Vögel der wichtigste Landeplatz auf dem bis Südafrika reichenden "Ostatlantischen Zugweg". Viele von ihnen leben dort für einen Großteil des Jahres, füllen ihre Fettdepots als „Treibstoff“ für den Zug auf oder wechseln die Federn. Wie die Brandgans, von der fast der gesamte nordwesteuropäische Bestand im Sommer ins Watt zwischen Büsum und Elbe kommt. Die 200.000 Brandgänse sind dann wegen der Mauser flugunfähig und besonders empfindlich gegen jede Störung.
Auch für Meeressäugetiere wie Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale hat das Wattenmeer große Bedeutung.
Erfolgreicher Naturschutz
Seit 1977 setzt sich der WWF gemeinsam mit vielen anderen intensiv für das Wattenmeer ein. Das hat sich gelohnt: Alle drei Anrainerstaaten – Niederlande, Deutschland und Dänemark – haben ihren Anteil am Wattenmeer unter Schutz gestellt. Im deutschen Teil haben Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg von 1985 bis 1990 drei Nationalparks gegründet. Diese wurden seitdem weiter entwickelt – zum Beispiel durch die Vergrößerung um ein Walschutzgebiet in der Nordsee, verbesserte Kernzonen, Einstellung der Jagd, blühende Salzwiesen und der Schutz der Brandgänse. Auch eine bessere Besucherinformation und die Partnerschaft mit nationalparkfreundlich arbeitenden Tourismus-Unternehmen gehören zu den Erfolgen.
Der Lebensraum Wattenmeer ist so einzigartig, dass Deutschland und die Niederlande Anfang 2008 bei der UNESCO die Anerkennung als „Weltnaturerbe“ beantragt haben. Der WWF hat sich hierfür eingesetzt und schätzt die Chancen als gut ein. Dann stünde das Wattenmeer international auf einer Stufe mit dem Grand Canyon, der Serengeti oder den Galapagos-Inseln. Das international hoch angesehene Zertifikat würde bei einer Anerkennung die Unterstützung von Öffentlichkeit und Politik für das Wattenmeer nachhaltig fördern.
Trotz Schutz: Bedrohung besteht fort
Große Eindeichungen haben das Wattenmeer über die Jahrhunderte immer mehr bedroht. Doch auch Schadstoffe, Fischerei, militärische Nutzung, Tourismus-Bauten, Industrieanlagen und die Ausrottung von Arten wie Rochen, Stör oder Raubseeschwalbe führten zu großen Natur-Verlusten. Mit dem Schutz des Wattenmeeres gelang hier ein Stopp – doch mehr noch nicht. Denn frühere Schäden wurden nicht repariert. Und zugleich entstanden neue Bedrohungen:
•Wenn das Polareis durch den Klimawandel schmilzt, steigt auch im Wattenmeer der Meeresspiegel. Zwar werden Deiche und Dämme zum Schutz der Menschen immer mehr erhöht – doch Wattflächen und Inseln vor den Deichen drohen so auf lange Sicht durch Abbruch verloren zu gehen.
•Aktuell plant die RWE Dea AG eine massive Ausweitung der Ölförderung im Watt. Doch Industrieanlagen gehören nicht in Nationalparks, die für den strengen Schutz der Natur da sind. Sie ruinieren das Landschaftsbild, stören die Tierwelt und schaffen zusätzliche Risiken.
•Fischerei gehört nicht in Nationalparks. Wenigstens dort sollten sich die übernutzten Fischbestände erholen können. Doch das ist im Wattenmeer bislang noch kaum der Fall.
•Noch immer gelangen über die Flüsse zu viele Gifte und schädliche Nährstoffe ins Meer. Und durch die Schifffahrt kommen jede Menge Müll und immer wieder Ölreste dazu, durch die Tausende von Seevögeln sterben.
Das Wattenmeer-Programm des WWF
Die WWF-Arbeit im Wattenmeer steht vor allem für die Unterstützung und Weiterentwicklung der Nationalparks und für die internationale Zusammenarbeit beim Schutz. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass unser Einsatz - trotz aller Erfolge - auch weiter dringend gebraucht wird. So argumentiert und streitet der WWF vor allem
Ölförderplattform im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. © WWF / Klaus Günther•gegen eine Ausweitung der Ölförderung im Watt;
•für mehr Naturverträglichkeit in der Fischerei, zum Beispiel durch die Verringerung der Jungfisch-Beifänge, die Etablierung großer fangfreier Zonen und die Verhinderung des Imports von nicht-heimischen Arten für die Muschelfischerei;
•für eine rechtzeitige Anpassung an den beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels. Ziel ist es, bei Deichbau und anderen Küstenschutz-Maßnahmen eine Änderung der Politik zu erreichen: Neben dem selbstverständlichen Schutz der Menschen vor Sturmfluten muss auch die Natur des Wattenmeeres in ihrer heutigen Qualität gesichert werden;
•für eine nachhaltige Entwicklung in der Umgebung des Wattenmeeres und die Naturverträglichkeit der wichtigsten Wirtschaftsformen dort: Tourismus, Energieerzeugung sowie Schifffahrt und Häfen